Längsformatiger Korpus auf wellig ausgeschnittenen Winkelfüßen. Dreitüriger Unterbau mit
einer Längsschublade und messinggefasster Traverse. Das Schreibblatt ausziehbar und mit
Zugmechanismus für den Zylinderverschluss. Der Abschluss gekehlt und mit schlichter,
profilierter dreiseitiger Umrandung. Das Innere des Unterbaus mit fünf Tablaren und einer
Schublade, wobei ursprünglich vorn mit einer weiteren Schublade versehen. Der Schreibteil im
Innern mit offenen Briefkompartimenten und geschweiften Schubladen. Überaus feine und
reiche Marketerie der dritten Entwicklungsstufe. Die vergoldeten Bronzebeschläge alle in
englischer Manier.
„Für die Gestaltung dieses Zylinderbureaus hatte David Roentgen wohl mehrere Entwürfe aus
Chippendales The Gentleman & Cabinetmaker's Director verwendet, wie z.B. die
Nr.CXII und
CXIV, beides Aufsatzmöbel mit dreiteilig gegliederten Unterbauten. Die bei Chippendale
vorkommenden seitlichen oder mittleren Schübe wurden hier alle durch Türen ersetzt, wohl
um der Einlegearbeit willen, für die man einheitliche Flächen wünschte. Darüber hinaus wurde
auch der Möbeltypus modernisiert, indem anstelle der bei Chippendale noch
ausschließlich
gezeigten Schrägklappe der in Frankreich erfundene Rollzylinder verwendet wurde.
Das Bureau wurde mit
chinesischen Figuren marketiert, ein Motiv, das der im 18
Jhdt. beliebten Mode der
Chinoiserie entsprach. Doch während für die meisten chinoisen
Dekorationen auf Möbeln die Lackmalerei bevorzugt wurde, da sie nicht nur das chinesische
Bildthema, sondern auch das dort übliche Material imitierte, wurden die Chinesenszenen hier
als Marketerie ausgeführt, in der Dekorationstechnik, die der Roentgenwerkstatt zu ihrem
internationalen Renommee verholfen hatte. Die Technik selbst, die David Roentgen
á la
Mosaique nannte, zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Binnenzeichnung der
Darstellungen,
d.h. die Gewandfalten, Schatten u.a. mit keinerlei graphischen Mitteln wie den üblichen
Gravuren oder Sägschnitten, sondern ausschließlich durch die extreme Kleinteiligkeit der
einzelnen Furnierflächen erzielt.
Die im Oeuvre Roentgens häufigen Chinoiserien zieren die großen Flächen des Bureaus, wobei
die aufwendigste von ihnen dem Rollzylinder vorbehalten ist. Diese Marketerie zeigt drei
Szenen. In der Mitte sind drei Figuren versammelt, auf der linken Seite zwei und auf der
rechten Seite eine. Die mittlere Szene zeigt eine chinesische Dame mit Sonnenschirm in
Begleitung eines Kindes, die sich anschickt, einen Fisch zu kaufen. Zu ihren Füßen kniet der
Fischhändler vor einem Korb mit Fischen und hält ihr einen Fisch entgegen. Links befindet sich
die Zweiergruppe, wovon die eine Figur sitzend in Rückenansicht gezeigt ist, während die
andere einen Lampion an einer Stange in die Höhe hält. Rechts reicht ein Kind, neben einem
hohen Behältnis stehend, einem in einem Ring sitzenden Papagei etwas zu. Die drei Szenen
spielen sich auf einem gestuften Podest ab, welches im Hintergrund von einem Zaun begrenzt
wird. Rechts ist noch ein Bretterverschlag zu sehen, an welchem seitlich der Ring mit dem
Papagei und vorn ein Lampion hängt. Aus dem Podest wachsen, zu den jeweiligen Gruppen
gehörend, verschiedenartige Bäume.
Die breite Schublade ist mit fliegenden Vögeln und Pflanzengebinden eingelegt. Auf den beiden
seitlichen Türen sind, in ungefährer Symmetrie, zweifigurige Szenen mit Chinesen, die sich
spielend mit gefangenen exotischen Vögeln beschäftigen. Diese Gruppen stehen auf einem
Stück Naturboden, mit Bäumen und kleineren Pflanzen bewachsen, die zum Teil ins Leere
herabhängen. Sehr eigentümlich mutet die Szenerie auf der Mitteltür an. da sie ausschließlich
von Vögeln dominiert ist. Diese Darstellung ist als Ergänzung zu denen der seitlichen Türen
gedacht. Sie zeigt die verschiedenen Formen des Vogelfangs. Ein aus Holz gefügtes
Rahmengefüge bildet eine luftige Plattform, auf der ein runder und ein kastenförmiger
Vogelkäfig mit Lockvögeln stehen. Eine Eule sitzt auf dem rechteckigen Käfig, auf welchem
Teile einer Flöte liegen. Flöten oder Pfeifen werden ebenfalls zum Anlocken von Vögeln
verwendet. Auch die Eule wurde für den Vogelfang eingesetzt, da sich die Tagvögel ihr
gegenüber sehr aggressiv verhalten und sich ihr daher ohne jede Vorsicht nähern. Um die
Eule, bzw. über ihr, wird leimbestrichenes Gestänge aufgebaut - auf der Darstellung der
mittlere aufragende Ast mit den oberen kreuzförmig angebrachten Querstäben -, auf welchen
sich die Agressoren fangen1. Von diesen Querstäben hängen außerdem Stricke
und gespannte Vogel fallen herab. Ganz obenauf ruht ein weiterer Käfig, dessen Deckel nur
durch ein Stäbchen offengehalten wird, so dass er bei Berührung zufallen muss. Um das
Vogelfallen-Gebilde fliegen einige (noch) freie Vögel.
An den Seiten des Bureaus sind ebenfalls chinoise Motive eingelegt. Auf der rechten Seite
schenkt eine Chinesin zwei Kindern aus einer grüßen auf einem Herd stehenden Kanne etwas
aus. Die linke Seite zeigt eine Chinesin und ein Kind, die beide ihre Aufmerksamkeit einer
ihnen zu Füßen liegenden Katze widmen. In beiden Bildern stehen die Figuren auf hölzernen
Podesten, die mit Palmen und anderen Pflanzen bewachsen sind.
Sämtliche Szenen erscheinen wie schwebend, eine Eigenart, die der chinesischen Malerei
nachempfunden ist. Während jedoch in der chinesischen Malerei die einzelnen Figuren keinen
direkten Bezug zum Boden haben, ist hier dieser Misstand auf europäische Weise korrigiert
worden: Die Figuren stehen jeweils fest auf ihren unterschiedlich gestalteten Bodenstücken,
die jedoch selbst in einem unbegrenzten Raum zu schweben scheinen eine
Darstellungsweise, die diesen europäischen Chinesenbildern fast surreale Züge
verleiht.1
David Roentgen
"Zu den kunstgeschichtlich bedeutendsten Möbeln Deutschlands ist wohl das reich dekorierte
Zylinderbüro David Roentgens von 1772 aus Schloss Mannheim zu zählen. Bereits zu Beginn
unseres Jahrhunderts wurde seine Qualität erkannt und in der Literatur wiederholt erwähnt.
Besonders Georg Himmelheber wies ihm eine Schlüsselposition zu, indem er das Stück zum
ersten klassizistischen Möbel in Deutschland erklärte."2
Das Zylinderbureau, das zwischen 1771 bis 1774 für die Badische Markgräfin Karoline Luise
gebaut wurde, gelangte als Erwerbung unter Beteiligung der Siemensstiftung für die
Staatlichen Schlösser und Gärten aus dem Eigentum des Markgrafen von Baden in
Landesbesitz und wird seit 1996 im Zuge der Erweiterung des Trabantensaalmuseums im
Mannheimer Schloss ausgestellt. Die kunstvollen Marketerien der Sichtseiten des Möbels
werden Michael Rummer zugeschrieben.
"Michael Rummer, gebürtig, und jetzt wohnhaft in Handschuchsheim bey Heidelberg, alt 32
Jahre, hat die Einlegungskunst in Holz zu einer solchen Vollkommenheit gebracht, daß man sie
schwerlich höher treiben kann. Durch die treffendeste Nachahmung der Natur und durch die
reißende Kraft der Farben weiß er das Auge des Kunstliebhabers auf das Angenehmste zu
täuschen;..." So schrieb Kirchenrat Mieg aus Heidelberg im Jahre 1780 in seinem "6. Beytrag
zur vaterländischen Geschichte der Einlegekunst in Holz."3
1 Die Sammlung der Markgrafen und Grossherzöge von Baden - Katalog Sothebys, 1995, Bd.1,
S.208-213
2 Wolfgang Wiese, Mechanische Wunder - Edles Holz. Karlsruhe
1998, S.98 ff.
3 Meusel, JG. - Miscellaneen artistischen Inhaltes, Erfurt 1780, Hft.4, S. 47ff.